Vor diesem Hintergrund wurde das Pflegezeitgesetz geschaffen. Es gibt Arbeitnehmern die Möglichkeit, mehrere Tage von der Arbeit fernzubleiben, um die Pflege eines Angehörigen zu organisieren. Sofern Arbeitnehmer in dieser Zeit keinen betrieblichen oder tariflichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben, sind sie durch die staatliche Ersatzleistung des Pflegeunterstützungsgeldes finanziell abgesichert. Das Pflegeunterstützungsgeld gibt Arbeitnehmern eines pflegebedürftig gewordenen Menschen somit die Möglichkeit, ohne finanzielle Einbußen die Weichen für die Pflege ihres Angehörigen zu stellen.
Was ist das Pflegeunterstützungsgeld?
Wie bereits einleitend erwähnt, handelt es sich beim Pflegeunterstützungsgeld um eine staatliche Lohnersatzleistung für entgangenes Arbeitsentgelt während einer Freistellungszeit von der Arbeit. Das Pflegeunterstützungsgeld gibt Arbeitnehmern die Möglichkeit, bis zu zehn Tage bei Lohnausgleich für die Organisation der Pflege eines nahen Angehörigen aufzuwenden. Die Leistung wird von den Pflegeversicherungen erbracht.
Das Pflegeunterstützungsgeld ist in § 44a SGB XI gesetzlich geregelt. Es wurde 2015 im Rahmen des Pflegezeitgesetzes verabschiedet, um berufstätigen Familienmitgliedern die Zeit für die kurzfristige Organisation der Pflege eines nahen Angehörigen zu ermöglichen. Das übergeordnete Ziel des Pflegezeitgesetzes ist es, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. Damit ist das Pflegeunterstützungsgeld in seiner Ausrichtung dem Kinder-Krankengeld sehr ähnlich, das Eltern erhalten, wenn sie sich um ein krankes Kind kümmern und währenddessen einen Verdienstausfall zu beklagen haben.
Wer hat Anspruch auf Arbeitsfreistellung?
Liegt eine akute Pflegesituation eines Verwandten vor, ist der Arbeitgeber verpflichtet, Sie von der Arbeit freizustellen. Diese Situation wird mit dem rechtlichen Fachbegriff der „kurzzeitigen Arbeitsverhinderung“ umschrieben. Ein Anspruch auf Freistellung besteht, wenn erstmals die Organisation von Hilfe bzw. Pflege eines Angehörigen erforderlich ist (bspw. nach einem Klinikaufenthalt oder einem Unfall), oder bereits Pflegebedürftigkeit besteht, sich die Situation Ihres Angehörigen jedoch deutlich verschlechtert hat. Dies kann die Pflege zu Hause verunmöglichen und erfordert ggf. die Organisation einer Unterbringung in einem Pflegeheim.
In beiden genannten Fällen haben alle Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch darauf, unverzüglich und bis zu zehn Arbeitstage von der Arbeit freigestellt zu werden. Diesen Anspruch haben übrigens auch Minijobber, Auszubildende und befristet Beschäftigte. Ebenso gilt diese Regelung für Unternehmen jeder Größenordnung. Eine Mindestgröße ist nicht gesetzlich vorgeschrieben.
Bei der Mitteilung Ihrer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung verfahren Sie wie bei einer Krankmeldung. Teilen Sie Ihrem Arbeitgeber möglichst frühzeitig mit, dass wegen eines akuten Pflegenotfalls verhindert sind. Eine formlose Meldung per Telefon oder E-Mail reicht dazu aus – ein offizieller Antrag ist nicht notwendig. Ihr Arbeitgeber kann jedoch von Ihnen verlangen, dass Sie in den folgenden Tagen eine Bescheinigungen nachreichen, in der von einem Arzt die Notwendigkeit der Freistellung zur Organisation einer Pflege bestätigt wird. Diese Bescheinigung brauchen Sie sowieso für die Beantragung des Lohnausgleichs bei der Pflegekasse.
Welche Angehörigen können eine Arbeitsfreistellung verlangen?
Folgende Personen (auch als „nahe Angehörige“ bezeichnet) können bei ihrem Arbeitgeber eine Freistellung von der Arbeit zur Organisation eines akuten Pflegefalls verlangen:
- Eltern, Großeltern, Schwiegereltern, Stiefeltern
- Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Schwägerinnen und Schwager
- Leibliche Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder, Kinder des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwiegerkinder und Enkelkinder
Welche Voraussetzungen müssen für das Pflegeunterstützungsgeld erfüllt werden?
Für den Erhalt von Pflegeunterstützungsgeld müssen Versicherte eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen. Dazu zählen:
- Vorliegen einer akuten, also unvorhersehbar und unerwartet eingetretenen Pflegesituation.
- Bereits erfolgte Einstufung des Angehörigen als pflegebedürftig bzw. hohe Wahrscheinlichkeit eines Eintritts der Pflegebedürftigkeit mit Blick auf die Sachlage.
Antragstellung durch einen nahen Angehörigen der pflegebedürftigen Person (nach §7 des Pflegezeitgesetzes). - Inanspruchnahme einer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung durch den berufstätigen Angehörigen (nach §2 des Pflegezeitgesetzes).
- Wegfall der Entgeldfortzahlung durch den Arbeitgeber während der Zeit der Arbeitsverhinderung.
- Unverzügliche Antragstellung auf Pflegeunterstützungsgeld nach Absehbarkeit der Pflegesituation des Angehörigen.
- Einreichung eines ärztlichen Bescheinigung zur Dokumentation der (absehbaren) Pflegebedürftigkeit des Angehörigen gemeinsam mit dem Antrag auf Pflegeunterstützungsgeld.
- Keine Inanspruchnahme von Pflegezeit oder Familienpflegezeit des nahen Angehörigen.
Versicherung des zu pflegenden Angehörigen bei einer deutschen Pflegeversicherung (auch bei einem Wohnort im Ausland).
Wie wird Pflegeunterstützungsgeld beantragt?
Das Pflegeunterstützungsgeld wird von der Pflegekasse bzw. der privaten Kranken- und Pflegeversicherung des gepflegten Angehörigen gezahlt, unabhängig davon, wo Sie selbst versichert sind. Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Sie sind bei der AOK und Ihr pflegebedürftiger Vater ist bei der TK versichert. Das Pflegeunterstützungsgeld beantragen Sie demnach bei der TK (und nicht bei der AOK).
Den Antrag auf Pflegeunterstützungsgeld sollten Sie möglichst schnell stellen. Das dafür erforderliche Antragsformular erhalten Sie bei der zuständigen Pflegekasse.
Gemeinsam mit dem Antrag auf Pflegeunterstützungsgeld müssen Sie ein ärztliches Attest bei der Pflegekasse einreichen, in dem die akute Notsituation sowie der Hilfebedarf Ihres nahen Angehörigen bestätigt wird. Dieses Attest können sie aus Zeitgründen auch nachreichen. Im Attest müssen der Name des pflegebedürftigen Angehörigen, der Zeitraum der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung und die ärztliche Bestätigung der Notwendigkeit zur Organisation der Pflege des nahen Angehörigen dokumentiert sein.
Wie hoch ist das Pflegeunterstützungsgeld?
Die Höhe des Pflegeunterstützungsgeldes richtet sich nach den Regularien der Kinder-Krankengeld-Berechnung gemäß § 45 Abs. 2 des SGB V. Es beträgt 90 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts aus beitragspflichtigem Arbeitsengelt (wenn in den letzten zwölf Kalendermonaten vor der Freistellung keine beitragspflichtige Einmalzahlung gezahlt wurde) bzw. 100 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts aus beitragspflichtigem Arbeitsengelt (wenn in den letzten zwölf Kalendermonaten vor der Freistellung eine beitragspflichtige Einmalzahlung gezahlt wurde). 100 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts werden unabhängig von der Höhe der Einmalzahlung gezahlt. Das Pflegeunterstützungsgeld darf jedoch pro Kalendertrag 70 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze nach § 233 Abs. 3 in der Krankenversicherung (SGB V) nicht überschreiten. 2020 lag demnach der Höchstbetrag des täglichen Pflegeunterstützungsgeldes bei 109,38 Euro.
Nachfolgend ein Beispiel zur Verdeutlichung der etwas sperrigen Berechnungsmethode:
Eine Arbeitnehmerin nimmt zur Organisation der Pflege ihrer Mutter vom 11.03. bis zum 20.03. (10 Tage) eine kurzzeitige Arbeitsfreistellung in Anspruch. Sie hat in diesem Zeitraum einen Nettoverdienstausfall von 800 Euro. Zudem wurde in den letzten zwölf Kalendermonaten Weihnachtsgeld als Einmalzahlung vom Arbeitgeber gezahlt. Die Arbeitnehmerin hat somit Anspruch auf 100 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts während des Zeitraums ihrer Freistellung. Das Pflegeunterstützungsgeld beträgt demnach kalendertäglich 80 Euro (800 Euro / 10 Tage).
Gemäß § 3 Nr. 1a und 11 EStG ist das Pflegeunterstützungsgeld steuerfrei. Die Leistung unterliegt nicht dem Progressionsvorbehalt und muss deshalb nicht in der Einkommenssteuererklärung angegeben werden.
Wie lange wird das Pflegeunterstützungsgeld gezahlt?
Das Pflegeunterstützungsgeld wird pro Jahr für maximal zehn Arbeitstage gezahlt. Die staatliche Unterstützungsleistung muss jedoch nicht am Stück in Anspruch genommen werden. Beim Auftreten mehrerer Pflegefälle im Kreis der Angehörigen innerhalb eines Jahres können Arbeitnehmer die Lohnersatzleistung auch mehrmals beziehen. In Summe ist das Pflegeunterstützungsgeld jedoch auf zehn Arbeitstage pro Jahr limitiert.
Zur Verdeutlichung ein Beispiel:
Eine Arbeitnehmerin erhält im März sechs Tage Pflegeunterstützungsgeld für die Organisation der Pflege ihrer pflegebedürftig gewordenen Mutter. Im Oktober wird auch ihr Vater akut pflegebedürftig. Die Arbeitnehmerin hat dann noch einen Anspruch auf vier Tage Pflegeunterstützungsgeld.
Kann der Arbeitgeber Pflegeunterstützungsgeld ablehnen?
Dies ist nicht der Fall. Da das Pflegeunterstützungsgeld von den Pflegekassen gezahlt wird, hat der Arbeitgeber keinen Einfluss auf dessen Zahlung. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber auch nicht die kurzzeitige Freistellung eines Mitarbeiters ablehnen. Jeder Arbeitnehmer hat einen Rechtsanspruch auf eine zehntägige Freistellung im Zusammenhang mit der Organisation einer Pflege, der vom Arbeitgeber nicht bestritten werden kann. Zu beachten ist jeodch, dass Arbeitnehmer nur dann einen Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld haben, wenn sie vom Arbeitgeber keine Entgeldfortzahlung erhalten. Bekommt der Arbeitnehmer in der Zeit der Freistellung weiterhin sein Entgelt gezahlt, erlischt der Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld. Das einzige Recht des Arbeitgebers ist es, einen ärztlichen Nachweis über die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen des Mitarbeiters zu verlangen.
Kann das Pflegeunterstützungsgeld auf mehrere Personen aufgeteilt werden?
Ja, das ist möglich. Sowohl die kurzzeitige Freistellung beim Arbeitgeber als auch das Pflegeunterstützungsgeld können auf mehrere Personen aufgeteilt werden. Wichtig ist, dass alle weiter oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
Ein Beispiel zur Verdeutlichung:
Der Vater von Frau A ist akut pflegebedürftig geworden. Frau A lässt sich sieben Tage von ihrem Arbeitgeber freistellen, um die Pflege ihres Vater zu organisieren. In diesem Zeitraum erhält sie Pflegeunterstützungsgeld. Da die Organisation der Pflege nach sieben Tagen noch nicht abgeschlossen ist, übernimmt der Ehemann von Frau A für drei weitere Tage die Organisationsarbeit. Auch er lässt sich von seinem Arbeitgeber freistellen und bekommt in diesem Zeitraum Pflegeunterstützungsgeld.
Highlights
Das Pflegeunterstützungsgeld ist eine staatliche Lohnersatzleistung für entgangenes Arbeitsentgelt während einer Freistellung, die für die Organisation einer Pflege für einen nahen Angehörigen genutzt werden kann.
Das Pflegeunterstützungsgeld kann pro Jahr für maximal zehn Tage in Anspruch genommen werden.
Das Pflegeunterstützungsgeld wird es von der Pflegekasse des zu pflegenden Angehörigen bezahlt. An diese Pflegekasse ist auch der Antrag zu richten.
Das Pflegeunterstützungsgeld beträgt 90 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts aus beitragspflichtigem Arbeitsengelt (wenn in den letzten zwölf Kalendermonaten vor der Freistellung keine beitragspflichtige Einmalzahlung gezahlt wurde) bzw. 100 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts aus beitragspflichtigem Arbeitsengelt (wenn in den letzten zwölf Kalendermonaten vor der Freistellung eine beitragspflichtige Einmalzahlung gezahlt wurde). Es ist jedoch in seiner Höhe auf 70 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung beschränkt.
Der Arbeitgeber kann weder die Freistellung des Mitarbeiters noch die Zahlung des Pflegeunterstützungsgeldes ablehen.
Das Pflegeunterstützungsgeld kann auf mehrere Personen aufgeteilt werden.